Nils Weg auf die Welt

 

 

Sonntag, 25.03.2007

Es ist 8 Uhr morgens, meine Mami ist mittlerweile da und ich mache mich fertig, um in die Diakonie zu fahren. Lars schaut zwar traurig, ist aber guter Dinge, da die Omi ihm ganz viel Blödeleien versprochen hat. In mir kriecht auch so langsam eine gewisse Mulmigkeit nach oben, Aufregung, Nervosität machen sich breit – heute gibt es kein zurück, heute wird die Geburt eingeleitet. Ich bin zwar erst einen Tag über den ET, aber durch den Kaiserschnitt bei Lars, meiner Gerinnungsstörung und der Schwangerschaftsdiabetes will mich der Doc nicht weiter über den ET rüber lassen. Sven und ich sind also auf dem Weg in die Klinik. Unterwegs fällt mir ein, dass mein Bruder doch die beiden zu Hause, also in erster Linie Lars ablenken könne. Nach dem Gespräch bin ich noch beruhigter, weiß ich doch, dass nicht nur meine Mama bei dem Großen ist, sondern dieser auch noch einen tollen Tag auf dem Golfplatz verbringen wird.

Nachdem wir angekommen sind, wird erst mal ein CTG geschrieben – das war relativ unauffällig, also alles im Normbereich. Danach wird Blutdruck gemessen, der natürlich wieder zu hoch war, wie immer, wenn ich aufgeregt bin. Dann machte die Ärztin ein Ultraschall und ich bekomm erst mal einen kleinen Schock. „Da ist zuwenig Fruchtwasser, nicht dramatisch, aber somit steht auf jeden Fall fest, dass Sie hier bleiben“. Mir schießen die Tränen in die Augen, plötzlich habe ich Angst. Die Ärztin ist total lieb, beruhigt mich und erklärt und wie wir weiter vorgehen. Ich soll eine wehenfördernde Tablette bekommen – den Namen hab ich vergessen – muss dafür unterschreiben, da sie hier in Deutschland für diesen Zweck (noch) nicht zugelassen ist, aber erfolgreich eingesetzt wird mit eben der Einwilligung der Schwangeren.

Wir machen es uns auf dem Sofa für die nächsten zwei Stunden gemütlich, denn solange wird bei der Einleitung CTG geschrieben. Nach 20 Minuten wirkt die Tablette, ich spüre die ersten Wehen, ausschlagend auf dem Papier aber noch sehr gut auszuhalten. Die vorbeikommenden Hebammen und der Doc grinsen beim Anblick des CTG und sind sehr zufrieden. Nachmittags kommen meine Mutsch und Andreas mit dem Großen vorbei. Die Enttäuschung ist Lars ins Gesicht geschrieben, dass sein kleiner Bruder noch nicht da ist. Zwischendurch muss ich immer wieder ans CTG. Der Wehen“schmerz“ wird weniger und auch die Abstände werden größer, es scheint, dass die Wirkung nachlässt bzw. der Anschubser für eigene Wehen nicht groß kräftig genug war. Anstrengend ist die Weherei trotz alledem. Sven ist mit unserem Großen derweil nach Hause gefahren – ganz tapfer hat er sich von mir verabschiedet – und kommt aber nach knapp 2 Stunden wieder. Abends um 21 Uhr schaut die Hebamme nach dem Muttermund. Noch zu und nix verstrichen, aber weich – ich hatte mit mehr erhofft nach einem ganzen Tag Wehen und plötzlich überkommt mich wieder diese Angst – die Angst, dass ich wieder nach 2 Tagen Einleiterei doch im OP lande für einen Kaiserschnitt und ich heule einfach los. Die Hebamme beruhigt mich: Solange es dem Krümel gut geht, solange besteht kein Grund zu Eile oder sonstigen Maßnahmen. Es hat schon Frauen gegeben, da hat es mit Einleitung 5 Tage gedauert bis zur Geburt. Das ermutigt mich zwar nicht gerade, nimmt mir aber die Angst und gibt mir Hoffnung. An dem Abend wird nichts mehr gemacht, ich soll schlafen und Kraft schöpfen und wer weiss, ob nicht der Krümel selbst den richtigen Abschubser gibt über Nacht.

Montag, 26.03.2007

Nachdem ich schon um 7 Uhr „abmarschbereit“ war für den Kreissaal zur weiteren Einleitung – die Wehen haben zwischenzeitlich fast ganz aufgehört – bin ich doch erst gegen 9 oder 10 Uhr rübergerufen worden. Vorher hab ich noch eine Bettnachbarin bekommen, die in den frühen Morgenstunden einen Blasensprung hatte und es gerade mal 10 Minuten im Zimmer ausgehalten hat. Die Wehen wurden bei ihr so stark, dass sie wieder rüber in den Kreissaal gegangen ist. Als dann ihr Bett geholt wurde, wusste ich, dass sie wenn, dann mit Baby zurückkommt. Bei mir machte sich in dem Moment Wehmut breit: Ich warte, dass unser Krümel endlich kommt und dann soll ich noch ein „frisches“ Baby im Zimmer haben.

Ich bin also dann in einem der Kreissäle und der Doc kommt rein mit einem fröhlichen „Guten Morgen“, wie es ginge etc.pp. Er untersucht und stellt ebenfalls fest, wir gestern die Hebamme, dass der Muttermund noch zu ist, also hat das alles gestern irgendwie nix gebracht, zumindest nix Effektives. Da die Tablette offensichtlich nix ist für mich, legt er diesmal ein Gel. Mich überkommt zwar kurz eine leichte Panik, weil das Gel bei Lars ja so gut wie nix gebracht hat am Muttermund trotz Wehen, aber auch hier schafft der Doc mich zu beruhigen, weil es dem Krümel doch gut geht. Das CTG wird also angeschlossen und wir warten ab. Nach ner halben Stunde ist es dann soweit, das Gel wirkt – und wie!

Wie gestern soll ich alle zwei Stunden zum CTG kommen. Später kommt meine Mutsch . Wir gehen spazieren, also tun alles, was Wehen fördert. Ich hab mittlerweile richtig Kondition und geh die zwei Etagen die Treppe rauf – besser fast als vor der Schwangerschaft. Nachmittags holt Sven den Großen aus dem Kindergarten ab und bringt ihn mit. Wieder ist er verständlicherweise enttäuscht, dass Nils immer noch nicht da ist. Meine Wehen sind mittlerweile so heftig, dass ich stehen bleiben muss aber sie gegenüber Lars doch noch „vertuschen“ kann. Ich kenn ihn ja, es reicht, dass sein kleiner Bruder noch nicht da ist und sich Zeit lässt, da muss er nicht noch wissen, dass Mami Schmerzen hat. Ich selber bin froh darüber, scheinen die Wehen doch dieses Mal besser zu wirken. Wenn auch nur langsam. Um 18 Uhr ist der Muttermund einen Finger breit offen, nicht viel, aber ich habe dennoch geheult vor Erleichterung, dass es diesmal wenigstens was gebracht hat.

Abends um 9 Uhr werde ich mit 2 Zäpfchen Paracetamol auf die Station „entlassen“ für die Nacht, ich soll versuchen zu schlafen. Die Zäpfchen schlagen jedoch nicht an, so dass ich mit heftigen Wehen und immer noch nur einem Finger breiten Muttermund wieder im Kreissaal antanze. Mittlerweile zittere ich sogar und ich meine, dass mir kalt ist. Die Hebamme sagte nur ich solle das Zittern zulassen und nicht dagegen ankämpfen, denn nur so kann der Körper trotz alledem „entspannen“. Damit ich wenigstens ein bisschen Schlaf bekomme, gibt sie mir eine Spritze – ich meine es wäre Buscopan gewesen, bin mir aber nicht mehr sicher. Damit kann ich so um die 4 – 5 Stunden ein bisschen schlafen. Meine Zimmernachbarin – morgens frisch Mami geworden von einem total süßen Wonneproppen - hat mir dann erzählt, dass ich während des Schlafens ständig Wehen veratmet habe.

Dienstag, 27.03.2007

Um 5 stehe ich wieder vorm Kreissaal, mit ist kalt, ich zittere und es tut „weh“. Die Hebi schließt mich ans CTG an, dass die Wehen komischerweise nicht aufzeichnet und bietet mir eine entspannende Badewanne an, die ich dankend annehme. Während sie das Wasser einlässt, klingel ich Sven wach, er möge doch bitte kommen, ich mag nicht mehr alleine sein mit den Wehen. Mutsch bringt Lars dann in den KiGa und kommt nach – so habe ich beide bei mir, meinen Mann und meine Mutsch.

Zwei Stunden lag ich in der Wanne und es hat richtig gut getan. Die Wehen sind mittlerweile so schmerzhaft und bewirken auch was, dass ich danach direkt in den Kreissaal komme, in dem später Nils auf die Welt kommt.

Das CTG zeichnet allerdings immer noch keine Wehen auf, so dass Sven zum „Wehenschreiber“ gemacht wurde. Jeweils bei einer Wehe sollte er einen Strich auf dem Papier machen, später am Anfang und am Ende einer Wehe. Sowas aber auch.....

Mittags ist mein superfester Gebärmutterhals dann doch endlich verstrichen und mir fehlen „nur noch“ 4 – 5 cm. Da die Wehen doch mehr als heftig sind und die Ärztin mit einem Wehentropf „andere“, noch effektivere, dafür aber gleichmäßige Wehen auslösen will, bekomme ich die dafür wohl unumgängliche PDA, für die ich schon fast dankbar bin, denn der Wehenschmerz ist mehr als heftig und ich habe gedacht, dass ich mehr aushalte. Kurz vor drei wirkt diese dann auch und ich kann „entspannen“, spüre die Wehen aber trotzdem noch durch leichten Druck.

Trotz des bieherigen Maratons bin ich glücklich, einfach glücklich, dass wir das gemeinsam druchstehen Nils und ich, dass Krümel so fit bleibt, dass einer spontanen Geburt nichts im Wege steht. Mittlerweile kann ich es nicht mher abwarten, aber der Krümel läßt sich Zeit. Kurz vor Schluss jagt er mir noch einen Riesenschrecken ein. Die Herztöne werden mit jeder Wehe beängstigend langsam, so dass die Ärztin Blut aus der Kopfvene entnehmen möchte, um den Sauerstoffgehalt zu prüfen. Plötzlich hab ich Angst, Angst dass es doch wieder ein KS wird. War es doch bei Lars genauso damals. Damal kam man nur nicht an Lars heran, weil sich der Kopf noch zurückschieben ließ und die Herztön waren nonstop zu schnell.

Pötzlich grinst die Ärztin. "Ich seh die Haare - blond isser." Mein Mann und meine Mutsch zucken zusammen, ich merke, wie sie am liebsten nach "vorne" gelaufen wären um zu gucken und ich dachte nur "na toll, alle können gucken nur ich nicht." Und natürlich dürfen beide einmal schauen. Mutsch hat Tränen in den Augen und wischt sie verstohlen weg, Sven lächelt versonnen.

Die Wehen werden wieder heftiger, der Druck enorm. Die Ärztin untersucht nochmal, schüttelt den Kopf, nachwie vor fehlen ein paar cm und sie nimmt nochmal Blut aus der Kopfvene. Gott sei Dank ist dieser Wert beide Male noch im akzeptablen Bereich. Als wenn Krümel gespürt hat, dass er nicht drinbleiben kann, legt er einen Zahn zu. Der Druck nach unten wird heftiger, stärker und fängt an trotz PdA weh zu tun. Plötzlich ist der Muttermund vollständig, ganz rasant hat er sich geöffnet. Ich soll trotzdem die Wehen weiter veratmen. Ich will aber pressen, der Druck ist einfach zu stark, ich schreie, ich kann das nicht, veratmen. Und ich schaff es doch. Es würd nichts bringen, denn der Kopf muss sich noch drehen. Also in den Wehen, wo eine auf die nächste kommt, ohne Pause, muss ich noch Turnübungen machen, mich auf die Seite drehen *uff* aber das hilft, Krümel liegt richtig, ich darf wieder auf den Rücken, bzw. ich sitze eigentlich. Und plötzlich geht alles ganz schnell, ich darf, muss pressen, drücken, alle feuern mich an. Ich hab glaub ich den ganzen Kreissaal zusammengeschrien, mir damit "Luft gemacht". Die Chirugin, die später den Dammschnitt näht, bindet ein Tuch um mich, zieht dieses fest mit der Wehe und "wirft" sich zusätzlich auf meinen Bauch. Der kleine Dickschädel will doch da nicht durch.

Und plötzlich, als ich dachte ich zerspringe, vor Schmerz, Druck und gleichzeitig vor Glück, eine Welle des Glücks durchströmt mich, spüre ich wie Krümel durch ist, wie er auf die Welt gleitet und ich heule los, einfach hemmungslos drauf los. Es ist 20:17 Uhr Dann liegt er da auf meinem Bauch, die kleinen Augen "suchen" die meinen und alles ist perfekt. Einmal drücken muss ich noch für die Nachgeburt, dann sind wir für uns allein. Ich genieße die ersten Augenblicke, verfluche gleichzeitig die Ärztin, die den Dammschnitt näht *autsch* . Sven strahlt an meiner Seite und hat ebenfalls feucht Augen.

Meine Mutsch mit nicht minder feuchten Augen ruft meinen Bruder an, der mit Lars unterwegs ist. Die beiden stehen schon vor dem Kreissaal - als wenn wir das so getimt hätten. Dann kommt er rein, der große Bruder, auf Papas Arm, der Blick ehrfürchtig, ängstlich, voller Bewunderung und doch strahlend auf seinen kleinen Bruder gerichtet.

Ich bin glücklich, platze vor Glück, das Gefühl, das mich druchströmt, kann ich einfach nicht beschreiben....

Dann wird Nils von der Hebamme zum messen, wiegen etcpp geholt - begleitet vom großen Bruder, der den kleinen Bruder nicht aus den Augen läßt. 54 cm lang, 34,5 cm Kopfumfang und 3.550 g schwer isser.

Ich nutze die Gelegenheit und rufe meine weltuniversumsallerbeste Freundin an - Unser Krümelkobold ist da, wir haben es geschafft - Wenn Du nur auch hier sein könntest......

Wenig später hör ich jemand singen - mein Großer, sitzt auf meinen Bett, ich bin ja noch im Kreisbett, den Krümel in den Armen und singt ..... "laleluuuu, nur der Mann im Mond schaut zu,.......wenn die kleinen Babys schlafen,....." Vorbei, nu ist´s endgültig vorbei mit meiner wiedererlangten Fassung und ich heule wieder, ich kann einfach nicht anders, das ist sooooo....mir fehlen die Worte.

Heute, als ich mein "Erlebnis" aufgeschrieben habe, ist die Geburt schon fast 8 Wochen her. In dieser Zeit sind wir noch mehr zusammengewachsen, die Geschwisterliebe ist ungebremst, da springen Herzchen aus Lars´ Augen, wenn er seinen kleinen Bruder anschaut - so die Worte meiner besten Freundin - wir sind einfach glücklich.....Mami, Papi, Lars und Nils...